Redebeitrag bei der feministischen Demo vom 25.November

Anmerkung: Dies ist die ungekürzte Fassung des Redebeitrages bei der Demo der lila Rebellion Trier. Am 25. November haben wir gegen Gewalt an FLINTA* protestiert. Der Redebeitrag wurde von einer Einzelperson verfasst und spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung von allen aus der Besetzung wieder.

Dieses Heft wurde als Quelle genutzt: https://www.bundjugend.de/projekte/locals-united/kolonialismusundklimakrise/

Lest es euch gerne durch, es geht um die Verknüpfung von Kolonialismus und Klimakrise.

Hallo liebe Menschen,

Ich bin als FLINTA* von der Waldbesetzung BeschBleibt eingeladen worden einen Redebeitrag über den Zusammenhang von Klimakrise und Patriarchat zu halten.

Natürlich geht es heute am 25. November vor allem darum direkte Gewalt gegen FLINTA* sichtbar zu machen! Wir erobern uns heute nicht nur die Straßen zurück, sondern auch unsere Stimmen und Rechte in zwischenmenschlichen Beziehungen und auch andere Orte,wie etwa das Wohn- oder Arbeitsumfeld an denen wir Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt sind!

Trotzdem ist es mir ein Anliegen heute auch über die Klimakrise und deren Folgen zu sprechen. Denn ich finde, dass wir uns nicht entscheiden können, ob wir entweder für eine feministische, eine antirassistische oder eine klimagerechte Welt kämpfen. Natürlich ist es in Ordnung einen unterschiedlichen Fokus zu haben oder als Betroffene*r von Folgen des Klimawandels, rassistischer oder patriarchaler Gewalt ersteinmal mit dem eigenen Überleben beschäftigt zu sein. Aber ich finde wir sollten zumindest all diese und auch noch weitere Themen im Hinterkopf tragen und mitdenken, wenn wir eine gerechtere Welt einfordern!

Ich versuche nun den komplexen Zusammenhang zwischen der Klimakrise und dem Patriarchat* * zu erläutern. Auch ich habe noch viele ungeklärte Fragen und mein Redebeitrag hat nicht den Anspruch vollständig und zu Ende gedacht zu sein. Viel mehr möchte ich eine Einladung aussprechen unsere Kämpfe zu verbinden und eine Diskussion darüber zu starten. Macht euch auch keinen Kopf, wenn ihr nicht direkt alles auf einmal versteht. Wie gesagt, dass Thema ist komplex.

Kommen wir zur Klimakrise: Die Wissenschaft ist sich einig. Der aktuelle Klimawandel ist durch den Menschen verursacht worden. Seit Beginn der Industrialisierung wurde bis heute eine riesige Menge klimaschädliches Gas wie z.B. Kohlendioxid oder Methan in die Erdatmosphäre gestoßen. Mit der Folge, dass es auf diesem Planeten immer wärmer wird.

Wärmer heißt aber nicht besser, sondern im Gegenteil schlimmer: Die Lebensbedingungen von Menschen, Pflanzen und Tieren haben sich bereits drastisch verändert. Durch abschmelzende Pole steigt der Meeresspiegel, durch abschmelzenden Permafrost wird klimaschädliches Methan freigesetzt, die Abholzung der Regenwälder bedeutet, dass weniger Kohlendioxid in Sauerstoff umgewandelt wird und durch den Temperaturanstieg kommt es vermehrt zu Extremwetterereignissen, die z.B. Dürresommer oder Flutkatastrophen mit sich tragen.

Insbesondere im Globalen Süden sind die Folgen des Klimawandels schon seit Jahrzehnten spürbar: Viele Menschen haben durch Extremwettereignisse bereits ihre Existenz verloren und mussten aufgrund der Klimakrise fliehen.

Forscher*innen gehen davon aus, dass wir bei einem “wir machen weiter so” bis Ende diesen Jahrhunderts die 3°C erreichen werden. Bei 4°C Erderwärmung wird der gesamte afrikanische, als auch südamerikanische Kontinent als nicht mehr lebenswert eingestuft.

Doch was können wir dagegen tun? Es ist von äußerster Notwendigkeit keine weiteren klimaschädlichen Gase mehr in die Erdatmosphäre zu stoßen, mit der Abholzung von Wäldern zu stoppen und und und. Der Maßnahmenkatalog scheint unendlich, ist aber unumgehbar!

Uns geht es im Kampf gegen die Klimakrise allerdings nicht ausschließlich um Klimaschutz oder die Frage, wie wir es schaffen, dass Deutschland irgendwann klimaneutral sein wird. Es geht uns um Klimagerechtigkeit.

Das Konzept Klimagerechtigkeit stellt die Frage nach der Verantwortung für die Klimakrise in den Vordergrund. Es erklärt, dass nicht alle Länder und Menschen weltweit gleich viel Treibhausgase ausgestoßen haben und ausstoßen.

Länder und Menschen des Globalen Nordens wie z.B. Deutschland oder die USA sind für den größten Anteil der Treibhausgasausstöße verantwortlich und damit Hauptverursacher*innen sowie Profiteur*innen der Klimakrise. Gleichzeitig sind es jedoch die Länder und Menschen des Globalen Südens, die am stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, wie Maja bereits erwähnte. Das heißt nicht nur die Verantwortung für die Klimakrise ist ungleich verteilt, sondern auch ihre Folgen.

Wir sprechen von Ländern des Globalen Nordens und Südens, um deutlich zu machen, dass manche Länder über mehr Macht verfügen als andere und eine unterschiedliche Rolle in der Weltwirtschaft und somit auch in der Klimakrise einnehmen. Natürlich passt es nicht immer Globaler Norden oder Globaler Süden zu sagen, denn auch im Globalen Norden gibt es Menschengruppen die von den Folgen des Klimawandels besonders hart getroffen sind und im Globalen Süden gibt es auch die Personengruppen, die vom Kapitalismus und der Ausbeutung von Natur und Mensch profitieren.

Die Systeme die hinter dieser ungleichen Verantwortungs-Verteilung zwischen Ländern des Globalen Nordens und Südens stehen heißen Rassismus, Kolonialismus und Kapitalismus. Denn mit Beginn des Kolonialismus ab 1492 wurde von europäischer Seite aus ein rassistisches Machtverhältnis entwickelt, dass Schwarze und Indigene, also die damaligen Bewohner*innen Nord-und Südamerikas, Teilen Asiens, sowie Afrikas unterdrückte, abwertete und wirtschaftlich ausbeutete. Weiße Menschen haben sich nicht nur kolonisierten Menschen gegenüber als überlegen inszeniert, sondern auch der Natur gegenüber. Es wurde eine Natur erfunden, die aufgrund ihrer vermeintlichen Unterlegenheit beherrscht und kontrolliert werden müsse. Auf dieser Grundlage beuteten europäische Kolonialmächte die Natur in den kolonisierten Gebieten hemmungslos aus. Mit dem Ziel Profit zu schlagen und ihre globale Machtposition zu sichern. Die Natur galt bzw. gilt als natürliche Ressource und die kolonialisierten Menschen als Arbeitsressource für den Aufbau von weißer Macht und weißem Profit. Die Kolonialmächte experimentierten schon damals mit Methoden der Schichtarbeit, um versklavte Menschen möglichst effizient auszubeuten. In diesen Prozessen etablierte sich der globale Kapitalismus. Auch wenn viele ehemalige Kolonial-Länder heute als unabhängig gelten, findet weiterhin eine koloniale Ausbeutung durch Länder des Globalen Nordens statt!

Nach dieser langen, aber wichtigen Einleitung werde ich nun die Brücke zum internationalen Tag gegen Gewalt an FLINTA* schlagen.

Wie auch das Patriarchat ein System ist, was Menschen unterdrückt und ausbeutet, ist auch die Klimaungerechtigkeit unterdrückend und ausbeuterisch.

Durch die kapitalistische Gier der Länder des Globalen Südens und dem vermeintlichem Streben nach Wohlstand, wird der gesamte Planet früher oder später zerstört. Ich plädiere dafür die Klimaungerechtigkeit als Gewalt gegen Menschen im Globalen Süden, den kommenden Generationen und an den Ökosystemen der Erde zu verstehen.

Wie schon gesagt: Es haben nicht alle gleichermaßen zur Klimakrise beigetragen.

Da das wirtschaftlich-kapitalistische und koloniale System bis heute cis-männlich geprägt ist, haben eben auch mehr cis-Männer zur Klimakrise beigetragen, als FLINTA*-Personen. Weiße gesund cis-Männer des globalen Nordens sitzen und saßen in deutlich mehr Entscheidungs- und Machtpositionen als FLINTA*s, Meschen mit Behinderungen, BIPoc, wenn es um den Ausstoß an klimaschädlichen Gas oder um die Ausbeutung von Menschen und Ökosystemen im Globalen Süden geht.

Es sind die immer noch vorherrschenden patriarchalen Strukturen in Politik und Führungsetagen, die heute echte Klimapolitik so unfassbar langsam und an manchen Stellen schlicht nicht existent machen!

Ob es die Gewalt an FLINTA*-Personen ist, rassistische Gewalt, Gewalt durch Folgen der Klimakrise oder oder oder. Hinter all diesen Gewalt-Mechanismen steht das Konzept, dass eine Personengruppe über eine andere stellt. Es geht dabei immer über Macht, die einer Personengruppe zu steht und über die andere Personengruppe ausgeübt wird.

Ich möchte nun noch einmal den Fokus weg von den Ursachen der Klimakrise auf direkte Folgen für FLINTA*s lenken. Und zwar werde ich anhand von zwei Beispielen erläutert, warum FLINTA*s nicht immer gleich gut bei Klimabedingten Katastrophenfällen geschützt oder vorbereitet sind. Mir ist es wichtig, dass wir wenn wir über die Folgen der Klimakrise sprechen, beachten dass sich bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verschärfen und eben nicht alle gleich von der Klimakrise betroffen sind:

Bei dem Tsunami 2004 in Südostasien waren vier-mal mehr Frauen als Männer unter den Todesopfern. Dies hatte verschiedene Gründe: Viele Frauen wurden später gewarnt, weil sie nicht wie viele Männer in der Stadt oder in Häfen gearbeitet hatten, sondern sich während der Katastrophe in ihren Dörfern entweder zuhause oder auf landwirtschaftlich genutzten Feldern befanden. Außerdem hatten sie bei ihrer Flucht zusätzlich die Verantwortung für Kinder und Ältere Menschen. Viele Frauen konnten weniger gut schwimmen und ihre Kleidung war in den Wassermassen unpraktischer zu händeln.

Natürlich will ich damit nicht sagen, dass FLINTA*s immer weniger gut vor der Klimakrise geschützt sind, auch cis-Männer des globalen Südens sind hart von der Klimakrise betroffen!

Mir ist es auch wichtig zu betonen, dass FLINTA* im Globalen Süden nicht nur Opfer der Klimakrise sind, sondern auch vielfältige Widerstands-Strukturen aufgebaut haben. Sie spielen eine aktive Rolle im Klimaaktivismus, aber ihnen fehlt der Zugang zu wichtigen Entscheidungs- und Umsetzungsprozessen!

Nach Katastrophenfällen oder nach Extremwetterereignissen ist es möglich, dass die Lebensgrundlagen von Menschen so sehr zerstört sind, dass sie zur Flucht gezwungen werden. Und auch hier sind FLINTA* wieder weniger gut geschützt als cis-Männer und noch einmal mehr Gewalt auf ihrer Route und in Sammelunterkünften konfrontiert. Hinzu kommt, dass auch bei einer Flucht häufig FLINTA*s mehr Verantwortung für Kinder oder andere Familienangehörige tragen.

Um nun zum Abschluss zu kommen: Wir plädieren dafür, dass wir die Klimakrise feministisch, antirassistisch und anti-kolonial denken. Lasst uns die Ursachen des Klimawandels wie den Kapitalismus, Kolonialismus und das Patriarchat bekämpfen, statt uns über die Konsum-Entscheidungen von uns als Individuen zu streiten. Es geht uns nicht darum wer eine Bambus- oder Plastikzahnbürste benutzt, sondern um Mitspracherecht von FLINTA*s, von Menschen im Globalen Süden und um Mitspracherecht von jungen Generationen. Um Klimagerechtigkeit zu erreichen, müssen wir das bestehende kapitalistische System aufbrechen und Konzerne müssen aufhören den Globalen Süden auszubeuten! Wir wollen keine E-Autos, wenn für diese Lithium unter menschen-unwürdigen Umständen im globalen Süden abgebaut wird! Mit Scheinlösungen geben wir uns nicht zufrieden!

Lasst uns echte Lösungen einfordern und selbst umsetzen!

Um nun ganz zum Schluss noch einmal zur Waldbesetzung Besch Bleibt zurück zu kommen: Kommt uns gerne jederzeit besuchen. Wir haben bei Zewen und Igel an der Stelle, wo einmal eine vierspurige Straße gebaut werden soll, einen Wald mit Baumhäusern besetzt um ihn vor einer möglichen Abholzung zu schützen

Also: Lasst uns die Bäume besetzen, die Kämpfe verbinden und das Patriarchat überwinden.

Danke fürs zuhören.

** Erklärung FLINTA* und Patriarchat.

Das Patriarchat ist das System, welches FLINTA*-Personen unterdrückt und cis-Männern mehr Rechte und Möglichkeiten eingesteht. FLINTA* ist eine Abkürzung für Frauen, Lesben, Intergeschlechtlichen Menschen, Nicht-Binären, Trans*Menschen und A-Gender-Personen. Dieser Begriff macht deutlich, dass eben nicht nur cis-Frauen vom Patriarchat unterdrückt werden. Cis-sein bedeutet dass man sich mit dem Geschlecht, dass man bei der Geburt zugeschrieben bekommen hat, identifizieren kann.